Keine Maskenpflicht, offene Restaurants und Geschäfte: Schwedens Corona-Sonderweg hat international für Aufsehen gesorgt. Viele diskutierten oder stritten gar darüber, ob diese Strategie nun richtig oder falsch war. Sogar Schwedens König Carl XVI. Gustaf sprach von einem "gescheiterten" Weg.
Eine neue Studie von Forschenden der schwedischen Universität Uppsala, der norwegischen Gesundheitsbehörde und der Universität Sydney in Australien wirft nun ein schlechteres Licht auf Schwedens Corona-Sonderweg.
Demnach habe Schwedens Corona-Strategie dazu geführt, dass das Virus von Schweden in andere Länder übertragen werden konnte. Laut der Studie, über die die schwedische Zeitung "Upsala Nya Tiding" als erste berichtete und im Fachmagazin "Eurosurveillance" veröffentlicht wurde, haben sich die Infektionsketten in mehreren Hundert Fällen in andere Länder ausgebreitet. Trotz strenger Reisebeschränkungen in Finnland sei das Nachbarland der Studie zufolge besonders betroffen gewesen.
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Umgekehrt gab es nach Angaben der Forschenden aber praktisch keinen Export des Virus von Finnland nach Schweden. Sie glauben, dass es Finnen waren, die bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland eine Infektion aus Schweden mitbrachten, da sie nicht unter das finnische Einreiseverbot fielen.
Für die Studie wurden 71.000 Patientenproben analysiert, anhand derer eine Art genetischer Stammbaum für die Ausbreitung des Virus in den nordischen Ländern erstellt werden konnte. "Im ersten Jahr der anhaltenden Pandemie war Schweden tatsächlich ein Nettoexporteur des Sars-CoV-2-Virus zu unseren nordischen Nachbarn", sagte John Pettersson, Forscher am Zoonosis Science Center der Universität Uppsala. Aber auch Dänemark hatte Infektionen in andere Länder "exportiert".
Die Analysen hätten ergeben, dass Sars-CoV-2 zwischen Januar und Ende Februar 2020 in alle nordischen Länder importiert wurde, mit einer nachweisbaren Übertragung ab Anfang Februar in Schweden und ab Anfang März in den anderen nordischen Ländern.
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Mehr Infektionsketten in Schweden
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schwedens Eindämmungsstrategie einen Einfluss auf die epidemiologische Situation im Land und in der gesamten nordischen Region hatte", heißt es in der Studie. Man müsse allerdings berücksichtigen, dass Schweden – wie auch Dänemark – ein Transitland sei.
Die Studie zeige, dass die Infektionsketten in Schweden mehr Menschen umfasst hätten als in den Nachbarländern und laut den Forschern besteht die Möglichkeit, dass die Zahl der Corona-Fälle in Schweden und anderen nordischen Ländern geringer ausgefallen wäre, wenn Schweden eine restriktivere Strategie gewählt hätte. Finnland, Dänemark und Norwegen hatten deutlich strengere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus eingeführt, darunter strenge Quarantäne und Lockdowns.
Die Zahl der Infektionsketten war laut Studie in Schweden mit einer Zahl von 677 deutlich größer. In Dänemark waren es 227. Die längste Infektionskette fand sich demnach in Schweden mit 366 Fällen, gefolgt von Dänemark mit 228, Norwegen mit 134, Finnland mit 80 und Island mit 44. Dies lässt die Forschenden darauf schließen, dass Schweden im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern während des Stichprobenzeitraums die am wenigsten unterbrochenen Infektionsketten aufwies.
Infektionsketten brechen, um Mutationen zu verhindern
In Bezug auf die Bevölkerungsgröße gab es in Schweden eine höhere Zahl von Covid19-bedingten Infektionen und Todesfällen als in den anderen nordischen Ländern mit einer kumulierten Inzidenz von etwa 9758 Fällen und 137 Todesfällen pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu etwa 4465 Fällen und 43 Todesfälle in Dänemark, 2169 Fälle und 14 Todesfälle in Norwegen, 1608 Fälle und 17 Todesfälle in Finnland und 1790 Fälle und acht Todesfälle in Island bis zum 2. Mai 2021, so die Studie.
Die Forschenden betonen außerdem, dass, wenn die Infektionsketten aktiv bleiben dürfen, sie dem Virus auch mehr Möglichkeiten bieten, sich zu entwickeln, sich an die lokale Bevölkerung anzupassen und möglicherweise zu mutieren. Infolgedessen sei es nicht nur wichtig, Übertragungsketten zu unterbrechen und zu stoppen, um die Virusausbreitung zu minimieren, sondern auch um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass das Virus mutiert.
Weitere Quellen: SVT, Nachrichtenagentur DPA.
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