Brauchen wir wirklich 8 Stunden? Forscher räumt mit Schlaf-Mythen auf

Brauchen wir wirklich 8 Stunden? Forscher räumt mit Schlaf-Mythen auf

Muss es dunkel und still sein, damit Sie nachts schlafen können? Und gibt es so etwas wie Frühjahrsmüdigkeit? Schlafexperte Hans-Günter Weeß klärt gängige Schlafmythen auf.

Seit Beginn der Menschheit beschäftigt sich der Mensch mit seinem Schlaf. In Abhängigkeit zum kulturgeschichtlichen Hintergrund der jeweiligen Zeitepoche und zum wissenschaftlichen Erkenntnisstand wurden Erklärungsansätze für das menschliche Schlafbedürfnis und Schlafverhalten entwickelt, die sich in Form von Mythen mit unterschiedlichem Wahrheitsgehalt bis in die Gegenwart gehalten haben. Diese möchte ich im Folgenden vor dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auf ihre Gültigkeit überprüfen.

Gerade wer zu falschen Erwartungen an den Schlaf neigt, mag damit bestehenden Schlafstörungen Vorschub leisten. Deswegen gehört auch zu einer erfolgreichen Behandlung von Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen, dass man mit ihnen wieder realistische Erwartungen an den Schlaf aufbaut und irreale Vorstellungen und Erwartungen korrigiert. FOL

Über den Experten

Hans-Günter Weeß beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit den Themen Schlaf und Schlafstörungen. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin sowie Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster. Weeß hat mehrere Bücher zum Thema Schlaf geschrieben, unter anderem „Schlaf wirkt Wunder“ und „Die Schlaflose Gesellschaft“Schlaf . Zudem hat er das Online-Programm „Fit durch gesunden Schlaf“ entwickelt.

„Mindestens 8 Stunden Schlaf braucht der Mensch.“ – Stimmt nicht

Das Schlafbedürfnis ist genetisch festgelegt und liegt bei 80 Prozent der Bevölkerung zwischen sechs und acht Stunden. Entscheidend ist das Befinden am Tag. Wer sich am Tag ausgeschlafen, fit, ausgeglichen und leistungsfähig fühlt, hatte genügend Nachtschlaf – egal wie viel es war.

„Nachts darf man nicht wach werden.“ – Stimmt nicht

Wachwerden gehört unter evolutionsbiologischen Gesichtspunkten zum Schlafen dazu und war in grauen Vorzeiten für das Überleben der Spezies Mensch unabdingbar notwendig. Nur wer nachts regelmäßig wach wird, ist in der Lage, Gefahren in seinem Umfeld rechtzeitig zu erkennen. Das war in der Phase, als der Mensch noch auf dem freien Feld oder in Höhlen schlief, für die Erhaltung der Art wichtig. So konnte er den herannahenden Feind oder Löwen rechtzeitig erkennen. Bis hin zur Industrialisierung hat der Mensch vermutlich nachts in zwei Epochen geschlafen. Dazwischen eine längere Wachphase, in der er nach dem Feuer, dem Vieh gesehen hat oder sich mit Nachbarn traf. Auch Sex war möglich!

Zu bedenken ist auch, dass der ältere Mensch die Fähigkeit durchzuschlafen verliert. Wachwerden gehört für ihn zur Tages- bzw. Nachtordnung. Stets wichtig ist, dass man nächtliche Wachphasen akzeptiert und entspannt und gelassen bleibt, sonst bekommt man durch die vermehrte Beschäftigung mit dem Schlaf oder nächtliche Grübeleien über eine erhöhte Anspannung in der Bettsituation ein Problem mit dem Schlaf.

„Zum Schlafen muss es dunkel sein“ - Stimmt

Aufgrund des geringen Sehvermögens bei Dunkelheit hat es sich für die menschliche Spezies als günstig erwiesen, bei Tag aktiv und bei Nacht inaktiv zu sein. Zahlreiche biologische Prozesse haben sich an dieses Schlaf-wach-Verhalten mit den zugehörigen Hell-Dunkel-Phasen adaptiert. So wird das für den menschlichen Schlaf wichtige Hormon Melatonin bei Dunkelheit ausgeschüttet und unterstützt das menschliche Schlafvermögen. Die Körperkerntemperatur, die durch ihren Abfall den Einschlafprozess beeinflusst, hat sich ebenfalls an den Tag-Nacht-Rhythmus angepasst.

Aus diesen Gründen fällt es unter anderem dem Menschen schwer, am Tag zu schlafen, was insbesondere Schichtarbeiter leidvoll erfahren. Ein offener Rollladen, das Standby-Licht eines elektrischen Geräts im Schlafzimmer sind nicht ausreichend hell, wie mancher Schlaflose glaubt, um den Schlaf über eine reduzierte Melatoninausschüttung zu stören. Schließlich sind die Augen während des Schlafs geschlossen und in der Folge ist es dunkel!

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